Birgit Wildermuth
(geb. Steinkamp)
* 30.08.1964
+ 20.08.2023 in Lippstadt
Dein Wesen hat Gutes getan
Birgit lernte ich erst kennen, da war sie schon über 50 Jahre alt. Ihre verbliebene Zeit reichte nicht, um mehr zu erfahren aus ihren jüngeren Jahren. Doch ich habe nie (und tue das selbst heute nicht) bedauert, sie nur die letzten Jahre ihres Lebens begleitet zu haben. Obwohl, „begleiten“ ist das falsche Wort. Denn eigentlich war sie selbst für mich eher eine Bekannte, die ich ein paar Mal pro Jahr sah. Mehr als ein paar Worte wechselte ich auch dann nicht mit ihr.
Birgits Verdienst war für mich, dass sie meinem Vater gut getan hat. Er und ich, wir hatten einige Jahre unserer Leben kein besonders gutes Verhältnis zueinander. Ich glaube, da spielte vor allem die Scheidung meiner Eltern eine wesentliche Rolle. Damals habe ich mir keinen großen Kopf darum gemacht, wieso es zu dieser Trennung meiner Eltern kam. Und das ging auch meinen beiden Schwestern so. Mir war vor allem wichtig, meinen Vater in meinem Leben zu wissen. Leider passierte zunächst das Gegenteil: Aus einem intakten Familienleben wurde ein Wiedersehen von Zeit zu Zeit und schließlich ein Ignorieren, das, wie ich gestehen muss, vor allem von mir aus ging.
Schön fand ich es nicht, dass sich unsere Wege derart trennten. Dennoch glaube ich immer noch, dass dieser Schritt unvermeidbar und auch richtig war. Es hätte mich sonst womöglich nur noch mehr kaputt gemacht. So wäre es noch heute, wäre da nicht Birgit gewesen. Sie trat ins Leben meines Vaters, nachdem dieser viel zu lange Single war.
Anfangs bekam ich davon gar nichts mit. Doch Schritt für Schritt erlebte ich, vor allem über meine Schwestern, dass mein Vater wieder auftaute, lebensfroher und aktiver wurde. Er unternahm mehr, empfand mehr Lebensfreude – und das alles half uns dabei, unser Verhältnis allmählich zu normalisieren.
Ich bin mir sicher, dass Papa es mit dir nicht immer leicht fand, liebe Birgit. Um ehrlich zu sein, habt ihr nicht einmal besonders gut zueinander gepasst. Dafür ward ihr viel zu verschieden. Genau deshalb habt ihr euch denke ich so gut getan. Vater hat durch dich und deine Art eine andere Seite des Lebens wiederentdeckt. Er hat Rückhalt gefunden, Hilfe, einen Sinn. Denn du warst für ihn da, hast ihn angespornt, ihn motiviert, ihm einen anderen Blickwinkel gezeigt. Ihn daran erinnert, dass es viel schönes im Leben zu erfahren gibt, wenn man nur offen ist und danach sucht.
Ehrlich, ich habe meinen Vater kaum wiedererkannt, als wir zu Dritt durch meine alte Heimat Kiel schlenderten. Er wirkte so gelassen, so entspannt. Klar, etwas steif war er nach wie vor, das war so seine Art, sowas legt man nicht ab. Doch ich spürte förmlich, wie er ein gänzliches anderes Weltbild hatte, offener war, unvoreingenommener. Und froh, endlich wieder Kontakt zu seinem Sohn zu haben.
Mit diesem ersten Treffen war freilich nicht sofort wieder alles normal. Doch es war der erste Schritt, nach dem wir uns wahrscheinlich beide seit Jahren sehnten, ohne zu wissen, wie wir ihn selbst jeweils gehen konnten. Du, liebe Birgit, hast uns wieder zusammengebracht. Und du hat Papa ins Leben zurückgeholt.
Es war schön, zu erleben, wie gut es Papa an deiner Seite ging. Aus den ersten Treffen gingen weitere hervor, Papa zog schließlich sogar zu dir. Und ehe ich mich versah, besuchte ich ihn jedes Mal, wenn ich in NRW war, und besuchte er mich, wenn er in Norddeutschland war. Papa hatte endlich ein neues Zuhause gefunden. Und er taute immer mehr auf. Dank dir.
Zu träumen gewagt hätte ich mir das vor fünf Jahren noch nicht. Doch ihn jetzt zu sehen, wie er mit seinem Enkel interagiert, wie stolz er ihn ansieht, wie sehr er wieder versucht, ins Leben seiner Kinder zurückzukehren, ist etwas schönes.
Umso mehr bedrückt mich, dass du, Birgit, nur so kurz in seinem Leben warst. Die Nachricht, dass du Krebs hast, wollte ich erst gar nicht so wirklich wahrhaben. Du, die du so gesund lebtest. Doch es war real, kein Traum.
So kam es, dass wir, meine Schwestern, mein Vater, dein Bruder, deine Schwägerin, deine Nichte, deine Freundinnen und ich, ein ganzes letztes Jahr lang deine Höhen und Tiefen miterleben mussten. Der Krebs hatte dir stark zugesetzt, doch du dachtest nicht ans Aufgeben. Du hast gekämpft. Und wir haben um dich gekämpft. Ich für meinen Teil vor allem mental, doch mein Vater umso mehr mit allem, was er hatte. Er war bei so ziemlich jedem Arztbesuch dabei, hat dich nach jeder Chemo aufgepäppelt, dir gut zugeredet.
All das hat nicht gereicht. Deinen letzten Kampf, du hast ihn verloren. Der Krebs hat dich nicht in Ruhe gelassen, bis dein Körper schließlich zu schwach war. Mit jedem Tag, den es dir schlechter ging, wurde auch Papa trauriger, verzweifelter. Er wollte sich das nicht anmerken lassen, das ist nicht seine Art gewesen. Doch er hat wahrhaftig gelitten.
Er hat dich geliebt. Das ist mir nie so richtig klar geworden. Doch er tat es. Das weiß ich inzwischen. Wieso? Ich verrate es dir: Als du im Sterben lagst und nur noch von Maschinen am Leben gehalten wurdest, batest du deinen Bruder und meinen Vater, eine Patientenverfügung zu unterschreiben, die es den Ärzten erlauben würde, die Maschinen abzuschalten. Das war dein Wunsch, du wolltest nicht leiden. Doch Papa weigerte sich.
Da wusste ich es. Er tat das nicht bloß, weil er Katholik war und glaubte, dass es ihm nicht zustehe, über jemandes Tod zu entscheiden. Er tat es auch, weil er bis zuletzt hoffte, dich an seiner Seite zu halten. Er blieb bis zum letzten Moment an deiner Seite, fieberte, betete. Vergebens.
Deine letzten Worte waren „Danke“. Danke, dass ihr für mich da wart und so viel Leid ertragen habt für mich. Heute bin ich es, der dir Danke sagt. Ich hätte es früher tun sollen. Direkt zu dir. Nun muss ich es der Nachwelt sagen, auf dass dein Funke immer unter uns weilen wird: Danke, Birgit! Danke dafür, dass du mich und meine Familie begleitest und wieder zusammengeführt hast. Vergessen werde ich dir das nie!
Lebe ihn Frieden, so wie wir es deinetwegen können.
In Anerkennung und Dankbarkeit deiner Taten, Christoph
Lebenslauf
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